Wahlanalyse Israel: Zwischen Euphorie und Pessimismus

Überraschungssieger war die Partei "Yesh Atid". Foto: The Israel Project Lizenz: CC-BY-SA Original: Flickr

25. Januar 2013
Marc Berthold
Netanjahus Dämpfer und Yair Lapids überraschendes Abschneiden haben in Israel und international für große Erleichterung gesorgt. Freunde Israels sind umgehend in Euphorie verfallen: jetzt werde alles besser. Kritiker Israels sind indes überzeugt, nichts werde sich ändern. Beide Reaktionen sind verfrüht. Wunder sind nicht zu erwarten, doch neue Chancen bestehen, wenn Lapid sich als durchsetzungsfähiger Politiker erweist und die internationale Gemeinschaft rationales Erwartungsmanagement betreibt.

Rechts – Mitte – Links

Die Befürchtungen, Israel werde deutlich nach rechts rücken, waren groß. Genährt wurden sie durch den jahrelangen Stillstand im Nahost-Friedensprozess und dem Widerstand Netanjahus gegen amerikanische, europäische und palästinensische Forderungen, der bisweilen konfrontativen Außenpolitik Avigdor Liebermans, demokratiefeindlichen Tendenzen gegen die arabische Bevölkerung, gegen afrikanische Flüchtlinge und Menschenrechts- und Friedens-NGOs, und nicht zuletzt auch aufgrund des Eindrucks, die traditionelle Linke Israels  - geprägt von Israelis europäischer, aschkenasischer Herkunft - ziehe mit Blick auf die dauerhafte demographische Entwicklung langfristig den Kürzeren.

Die Nacht des 22. Januar hat die politische Verfasstheit Israels nicht grundlegend verändert. Die israelische Rechte hat die Wahlen gewonnen (61 Sitze von 120) (Schaubild). Selbst mit rechts-konservativen, religiösen und nationalistischen Parteien kein monolithischer Block, ist die Rechte doch weniger gespalten als Mitte-Links. Traditionell linke Parteien - Meretz und die arabisch-jüdische Partei Chadash - haben gemeinsam 10 Sitze. Mit der Arbeitspartei, die sich mittlerweile sträubt als Links zu gelten, sind es 25. Was sich jedoch einmal mehr gezeigt hat, ist, dass es eine sogenannte Mitte Israels gibt, die sich auf die Parteien Kadima (2), Hatnua (6) und vor allem auf Yair Lapids „Yesh Atid“ (19 Sitze) verteilt. Schließlich gibt es noch die beiden arabischen Parteien Balad und Ra’am Tal (gemeinsam 7 Sitze), die aufgrund ihrer anti-zionistischen Haltung in keine Regierung eintreten würden, aber auch von jüdischen Parteien nie gefragt wurden. Gleiches gilt für Chadasch Sie sind damit zwar Teil der Opposition, aber nicht automatisch der israelischen Linken.

In der israelischen Wahlberichterstattung wurde die Dichotomie von Rechts und Mitte-Links jedoch aufrecht erhalten. Es gebe ein Patt, hieß es am Tag nach der Wahl. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Die sogenannte Mitte ist nicht links. Sie ist aber auch nicht eindeutig rechts. Sie hat sich vielmehr dezidiert gegen ultra-rechte Tendenzen gestemmt. Die Haltung zum israelisch-palästinensischen Konflikt dient nicht zur Einordnung dieser Wählerschicht: Sie mag grundsätzlich für eine Zwei-Staaten-Lösung sein, ist aber nicht gegen die Existenz von Siedlungen. Allerdings wehrt sie sich gegen den wachsenden Einfluss der ideologischen Siedlerbewegung, die vor allem im Likud Einzug gehalten hat. Ebenso hat sie gegen die wachsende Macht der religiösen Parteien, insbesondere gegen die rechts-gerichtete, national-religiöse, Partei „Jüdisches Haus“ von Naftali Bennett gestimmt. Bennett galt im Vorfeld der Wahlen als der wahrscheinliche Überraschungssieger, schnitt letztlich jedoch schlechter ab als vorhergesagt.

Innenpolitik vs. Nahost-Konflikt

Die Wahlen wurden von innenpolitischen Themen dominiert: von der drohenden Wirtschaftskrise, von der steigenden sozialen Ungleichheit, von der Krise im Bildungssystem, vom wachsenden Einfluss der Religiösen sowie von den überhandnehmenden Privilegien für Ultra-Orthodoxe. Auch die wachsende internationale Isolierung Israels und die Furcht vor einem israelischen Angriff auf den Iran mögen eine Rolle gespielt haben.

Zum Leid der israelischen Linken und vieler internationaler Beobachter spielte der israelisch-palästinensische Konflikt im Wahlkampf und bei der Entscheidung der Wähler/innen keine große Rolle. Dies liegt zum einen an der in den letzten Jahren relativen Sicherheit Israels und zum anderen an dem sich festgesetzten Glauben, Israel habe keinen verlässlichen Partner auf palästinensischer Seite. Durch die Existenz des Sicherheitszauns und der Mauer gibt es kaum noch Kontakte zwischen Israelis und Palästinensern. Dies gilt auch für die arabische Bevölkerung im israelischen Kernland. Der Konflikt ist quasi von der Bildfläche verschwunden. Viele Israelis, wie auch Palästinenser, glauben auch nicht mehr an eine dauerhafte Lösung des Konflikts. Solange es ruhig ist, sind die Israelis mit dem Status-Quo zufrieden.

Dennoch ist diese sogenannte Mitte weniger ideologisch geprägt als die der Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung im rechten Lager, die vor allem in Likud und „Jüdisches Haus“ an Einfluss gewonnen haben. Käme es zu Verhandlungen und zu einem Ergebnis könnte sich diese Mitte als pragmatisch und kompromissbereit erweisen.

Sozialproteste und die neue Knesset

Während die Sozialproteste im Sommer 2011 in vollem Gang waren, wurde Shelly Yachimovich zur neuen Vorsitzenden der damals darniederliegenden Arbeitspartei gewählt. Sie nutzte die Gunst der Stunde und stilisierte sich zur politischen Anführerin der Protestbewegung. Als die Proteste abflauten, ihre Ziele von der Netanjahu-Regierung jedoch nicht aufgegriffen wurden, trat Yachimovich mit einem konsequent auf soziale Gerechtigkeit ausgerichteten Wahlkampf an. Zwei der führenden Köpfe der Bewegung, die Aktivistin Stav Shaffir und der Studentenführer Yitzchak Schmueli, erhielten sichere Listenplätze und werden nun für die Arbeitspartei in die Knesset einziehen. Dennoch schnitt Shelly Yachimovich deutlich schlechter ab, als lange in den Umfragen prophezeit. Yair Lapid, der eher oberflächlich über soziale Gerechtigkeit sprach, und im Gegensatz zur sozialdemokratischen Arbeitspartei eine eher neo-liberale Wirtschaftspolitik verfolgt, lief ihr den Rang ab.

Dennoch haben die Sozialproteste deutliche Spuren in der neuen Knesset hinterlassen. Schon im Herbst 2011, nachdem die Proteste in den Augen vieler als gescheitert galten, wurde vorausgesagt, sie würden die Politik nachhaltig verändern. Dies lässt sich nun durchaus erkennen. Schon der Wahlkampf war eindeutig innenpolitischer - zum Teil auch unpolitischer - als vorherige. Netanjahus Trumpf der Sicherheitslage zog nicht mehr; ein Wahlkampf der Angst vor dem Iran und vor Hamas (man erinnere sich an die Eskalation mit Gaza im November 2012), konnte nicht Fuß fassen. Die Wähler/innen wollten eine andere Art von Politik und vor allem frische Gesichter.

Sie haben eine Knesset gewählt, die im Durchschnitt deutlich jünger ist, die über 50 neue, politisch unerfahrene Abgeordnete zählt, von denen die wenigsten eine militärische Laufbahn hinter sich haben, und die mit 27 weiblichen Abgeordneten den historisch höchsten Anteil von Frauen in der Knesset haben wird. Auch wenn, zum Leid der Frauenbewegung, nicht alle diese Abgeordneten Feministinnen sind, so könnten sie, die jüngeren Abgeordneten sowie diejenigen ohne Militärkarriere, einen strukturellen Politikwandel einleiten, mit welchem sich die historisch so zentrale Verknüpfung von Armee und Politik langsam auflöst. Politikerkarrieren werden vielfältiger. Dies wird sich auch auf die Politik auswirken.

Zudem haben vor allem die Parteien hinzugewonnen, die für israelische Verhältnisse vielfältige Listen vorweisen konnten. Yair Lapids „Yesh Atid“, die Arbeitspartei, Naftali Bennetts „Jüdisches Haus“ und auch Tzipi Livnis „HaTnua“ führen Kandidat/innen aus unterschiedlichen Milieus, verschiedener jüdischer Herkunft und auch jenseits der politischen Zentren Tel Avivs und Jerusalem an. Meretz ist die einzige jüdische Partei, die in der kommenden Knesset auch einen arabischen Abgeordneten haben wird.

Das Abschneiden der einzelnen Parteien

Benjamin Netanjahu hat sich verkalkuliert. Zwar konnte er sich durch die Fusion mit Avidgor Liebermans Yisrael Beiteinu sicher sein, als stärkster ins Ziel zu laufen, doch hat er damit enttäuschte Likud-Wähler/innen in Richtung „Jüdisches Haus“ getrieben und frustrierte „Yisrael Beiteinu“-Unterstützer/innen zu „Yesh Atid“. Hinzu kam, dass von der Likud-Liste liberale Abgeordnete, wie Dan Meridor und Benny Begin, verschwanden und Hardliner der Siedlerbewegung und Protagonisten anti-demokratischer Gesetze der letzten Jahre nach vorne rückten. Sein Wahlkampf-Motto „Ein starker Premierminister für ein starkes Israel“ reichte nicht aus, um Stimmen zu halten. Die letzte militärische Auseinandersetzung mit dem Gaza-Streifen, die zum erstmaligen Raketenbeschuss von Tel Aviv führte und in einem Waffenstillstand endete, der in den Augen vieler Israelis eher Hamas zum Sieger machte, kostete ihm auch Stimmen in der so gebeutelten Region um den Gaza-Streifen.

Yair Lapid wurde mit seiner Partei „Es gibt eine Zukunft (Yesh Atid)“ zum Überraschungssieger, da er als jahrelanger Nachrichtenmoderator, ein bekanntes, seriöses, in der Politik vor allem jedoch ein frisches Gesicht war. Er verkörperte den Wandel, den die Mittelschicht suchte. Er führte einen ruhigen Wahlkampf ohne Kontroversen, und bot vor allem den bis zuletzt unentschlossenen Wähler/innen die größte Projektionsfläche, da über seine politischen Ziele, jenseits von Militärdienst für alle und ein Abbau von Privilegien für Ultra-Orthodoxe, wenig bekannt war.

Gegen Lapid hatten die Vorsitzende der Arbeitspartei, Shelly Yachimovich, die letztlich vielen doch als zu links galt und zu ausschließlich auf das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ setzte,  und die ehemalige Außenministerin Tzipi Livni, die spät ins Rennen ging und eine ähnliche Klientel anvisierte, keine Chance. Livni fehlte die Frische und ein eigenes, griffiges Thema. Sie setzte auf Verhandlungen mit den Palästinensern, was ihr in der breiten Mittelschicht nicht half. Die Linke wiederum wählte lieber das Original: Meretz.

Mit Tzipi Livni scheiterte auch die grüne Partei „The Green Movement“. Nach einer kontroversen Debatte, ob „The Green Movement“ alleine antreten sollte oder gemeinsam mit einer anderen Partei, trat der Vorsitzende, Alon Tal, auf Platz 13 von Livnis Liste an. Livni und Tal machten einen bemerkenswert umweltpolitisch orientierten Wahlkampf, doch letztlich erhielt Livnis Liste nur sechs Sitze. Ob sie ihre umweltpolitischen Ziele auch ohne Alon Tal in der Knesset weiterverfolgt, bleibt abzuwarten.

Meretz, die Friedenspartei der 90er Jahre, konnte in diesen Wahlen ihr selbst-ersehntes Revival feiern. Zu Beginn des Wahlkampfes noch am Rande ihrer Existenz, konnte Meretz letztlich seine Sitze von drei auf sechs verdoppeln. Am Wahlabend schienen zwischenzeitlich sogar acht Sitze in Reichweite. Zehava Galons Partei hat in ihren Hochburgen, den urbanen Zentren, einen positiven, motivierten Wahlkampf geführt. In Tel Aviv wurde sie mit gut 14% nach Yesh Atid, Likud-Beiteinu und Arbeitspartei viertstärkste Kraft. Vermutlich profitierte Meretz zuletzt auch von dem virtuellen Aufstieg von Naftali Bennett, der die in der Vergangenheit lethargische, israelische Linke zum Urnengang motivierte. Für eine dauerhafte Renaissance, wird Meretz an seinem Ruf arbeiten müssen, eine überwiegend aschkenasische Partei zu sein, die sephardischen Juden nicht genug Wertschätzung entgegenbringt, und auch trotz ihres Wertekanons von Frieden, Demokratie und Menschenrechten deutliche Distanz zu den arabischen Parteien hält. Nur dann wird Meretz sein Wähler/innen-Potential weiter ausbauen können.

Die religiösen, inklusive der national-religiösen wie auch ultra-orthodoxen, Parteien konnten sich in ihrer Gesamtzahl an Sitzen, vor allem durch den Zugewinn von Naftali Bennett’s „Jüdisches Haus“, auf 30 verbessern und konsolidieren. Shas blieb mit 11 Sitzen nahezu unverändert und das „Vereinigte Torah Judentum“ verbesserte sich leicht auf 7 Sitze. „Jüdisches Haus“ hatte sich vor der Wahl mit der ebenfalls national-religiösen Partei „Ichud Leumi“ vereinigt und verbesserte sich von fünf auf 12 Sitze. Die ultra-religiöse Partei Otzma LeYisrael schied aus der Knesset aus. Ebenso der Shas-abtrünnige Abgeordnete Chaim Amsalam, der mit seiner neugegründeten Partei „Am Shalem“ eine moderate Variante der Orthodoxie anbieten wollte.

Die arabischen Parteien haben insgesamt einen Sitz hinzugewonnen. Die sozialistische, arabisch-jüdische Chadash (4) und die national-demokratische Versammlung (Balad; 3) blieben gleich. Ra’am Ta’al verbesserte sich auf vier Sitze. Die arabische Wahlbeteiligung verbesserte sich leicht auf 55 Prozent, während es im Laufe des Wahltags so aussah als würde sie auf ein historisches Tief von 40 Prozent sinken. Die palästinensischen Staatsbürger/innen Israels gehen seit Jahrzehnten in geringerer Zahl zur Wahl, da sie zum einen keinen Einfluss ihrer Parteien im politischen System wahrnehmen und auch mit der Politik ihrer eigenen Parteien unzufrieden sind.

Insgesamt stieg die Beteiligung an den diesjährigen Wahlen auf knapp 68 Prozent, eine Verbesserung von gut 8 Prozent zum Jahr 2009 und die höchste Wahlbeteiligung seit 1999. Im Vorfeld gab es zahlreiche Wahlaufruf-Kampagnen unter jüdischen und arabischen Bürger/innen-Israels. Drei Aktivist/innen der Sozialproteste, Shir Nosatzky, Regev Contes und Roe Newman, gelang es, unterstützt von der Heinrich-Böll-Stiftung, eine Kampagne „Geht wählen, sonst wählen andere für Euch!“ ins Leben zu rufen, die eine ganze Reihe israelischer Stars aus Fernsehen, Film, Musik und Medien, wie Bar Rafaeli, Ivri Lider, Karen Moore oder Gideon Levy, ehrenamtlich für sich gewann. Ihr gemeinsames Video verbreitete sich vor allem auf Facebook und Twitter, erhielt enorme Medienpräsenz und wurde an den Tagen vor der Wahl über 150.000 Mal auf Youtube angesehen.

Mit wem wird Netanjahu nun regieren?

Benjamin Netanjahu hat sich die Regierungsbildung leichter vorgestellt. Die Verhandlungen mit möglichen Koalitionspartnern werden einige Wochen dauern, in denen sich die Konstellationen mehrfach ändern und die generelle politische Ausprägung der Regierung ungewiss bleibt. Sollte Netanjahu keine tragfähige Mehrheit zustande bringen, oder sollte Yisrael Beiteinu aus der Partnerschaft mit Likud aussteigen, könnte sogar der Fall eintreten, das Yair Lapid von Präsident Peres mit der Bildung einer Regierung beauftragt wird.

Doch bereits jetzt ist Yair Lapid der Königsmacher. Benjamin Netanjahu wird ihn für jede Konstellation brauchen. Entsprechend hat er seine Einladung bereits am Wahlabend ausgesprochen. Weitere Gesprächspartner waren, unmittelbar nach der Wahl, die religiösen Parteien Schas und Vereinigtes Torah Judentum. Zwischen dem säkularen Lapid und den religiösen Parteien liegen Welten, doch wird zumindest Schas nachgesagt, zugunsten der Regierungsbeteiligung sehr flexibel zu sein. Auch Yair Lapid muss erst noch zeigen, wie hart er verhandeln kann oder wie kompromissbereit er bei seinen Kernthemen ist.

Ob Naftali Bennetts „Jüdisches Haus“ zu Koalitionsverhandlungen eingeladen wird, ist offen. Benötigt wird er nicht, wenn Netanjahu, Lapid und die beiden religiösen Parteien eine Einigung finden. Lapid sähe zudem Tzipi Livni gerne mit an Bord. Auch Shaul Mofaz, der mit Kadima, in der letzten Knesset noch stärkste Fraktion, dieses Mal gerade noch über die Zwei-Prozent-Hürde gesprungen ist, dürfte als interessiert gelten. Er ist zudem einer der Anwärter auf das Verteidigungsministerium.

Schließlich wird es auch darauf ankommen, ob Netanjahu in einer Regierung mit Lapid, Livni und/oder Mofaz eher am rechten Rand stehen oder eher von ein bis zwei Zentrumsparteien auf der einen Seite und religiösen Parteien auf der anderen umgeben sein will.

Netanjahu hat bereits angekündigt, dass die innenpolitischen Probleme der drohenden Wirtschaftskrise, der steigenden Lebenshaltungs- und Wohnungskosten sowie die Frage der Beteiligung von Ultra-Orthodoxen am Militär oberste Priorität haben werden. Auch die Bedrohung durch den Iran sieht er als dringliche Aufgabe seiner nächsten Regierung an. Erst müsse das Atomprogramm Irans beendet werden, dann könne man sich um die Lösung des Konflikts mit den Palästinensern kümmern, sagte er kurz nach der Wahl.

Yair Lapid hat nach den Wahlen die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Palästinensern als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung genannt, doch hat er sich im Wahlkampf gegen zentrale Forderungen der palästinensischen Seite ausgesprochen. Er ist gegen eine Teilung Jerusalems, gegen die Räumung von Siedlungen und gegen das Rückkehrrecht von Flüchtlingen. Sein außenpolitisches Programm hat er ausgerechnet in der Siedlung Ariel vorgestellt. Ein wichtiges Thema war die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts in seinem Wahlkampf nicht. Es kann jedoch durchaus sein, dass er bereits jetzt schnell lernt und sich auf das Amt des Außenministers vorbereitet, welches ihm von Netanjahu bereits angeboten wurde.

Eine Beteiligung Tzipi Livnis würde die Chancen aus Verhandlungen heben, obgleich ihre sechs Sitze die Mehrheitsverhältnisse keineswegs verbessern. Auch wenn Naftali Bennetts Partei, die eine Zwei-Staaten-Lösung schlichtweg ablehnt und vielmehr 60 Prozent des Westjordanlands annektieren möchte, außen vor bleibt, hat Netanjahu selbst in der eigenen Fraktion keine Mehrheit für weitreichende Zugeständnisse an die Palästinenser.

Wunder sind also nicht zu erwarten, aber eine Netanjahu-Lapid-Regierung könnte durchaus offener auf internationale Verhandlungsinitiativen reagieren als die letzte. Im besten Falle eines Abkommens würden auch weite Teile der Opposition eine Netanjahu-Lapid-Regierung unterstützen. Shelly Yachimovich hat bereits angekündigt, zwar in keine Regierung einzutreten, aber keine Frontalopposition betreiben zu wollen. Auch Meretz würde den Teufel tun.
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Marc Berthold leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv, Israel.

Kampagne zur Wahlbeteiligung

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